Für Autoren
Erstveröffentlichung in SOL Nr. 19 - 3/00
Einige Tipps für angehende Autoren (6/12)
von Klaus N. Frick
von Klaus N. Frick
Schuld an dieser Folge ist Martin Marheinecke aus Hamburg. Der Mann schreibt selbst Geschichten für Fanzines, ist damit eine potentielle Zielgruppe für diese Artikelreihe. Aber er hat mich im vierten Teil der Reihe bei einem peinlichen Fehler ertappt. Grund genug, auf zwei andere grundsätzliche Dinge hinzuweisen ...
Wie es sich für einen guten Leserbriefschreiber gehört, beginnt der Autor mit einem Lob. »Die wahrscheinlich nützlichste Reihe in der SOL (zumindest für Möchtegern-Schreiberlinge) dürften Klaus N. Fricks Tipps für angehende Autoren sein«, schmeichelt mir der gerissene Schurke aus Hamburg, um gleich darauf mit einem Blattschuss zu landen. Ich zitiere: »Allerdings birgt KNFs Text einige Überraschungen für den stilbewussten Leser: ... der Mann ist heute Chefredakteur der führendsten Zweiradzeitschrift im deutschen Sprachraum.« Und während ich noch innehielt und tief Luft holte, streute Martin H. noch ein bisschen Salz in meine Wunden. »Bisher war ich der Ansicht, führend ließe sich nicht mehr steigern, da es ja schließlich nur eine führende deutsche Motorradpostille geben kann. Tja, man lernt nie aus!«
Natürlich hat Martin Marheinecke völlig Recht, und ebenso natürlich hatte ich sofort einen Schuldigen für das Debakel gefunden. Was zu dem eigentlichen Thema dieses Artikels führt...
Kritiker und so
Seltsamerweise gehen die meisten Autoren, vor allem die unerfahrenen, davon aus, dass ihre Texte schon gut sind, so wie sie sind, und dass man sie deshalb nicht sonderlich überarbeiten muss. Andere – darunter ich – verlassen sich gelegentlich darauf, dass ihr Text schon noch von irgend jemand Korrektur gelesen, redigiert oder sonst wie bearbeitet wird. In meinem Fall war der Schuldige natürlich Klaus Bollhöfener. Dieser Herr ist Redakteur der SOL, damit für den Inhalt verantwortlich und damit schuld an dem Fehler. Letztlich gilt ja die eiserne Regel. »Ist ein Text gut, war’s der Autor. Ist ein Text schlecht, war’s der Redakteur. Sind Fehler enthalten, war’s der Lektor.«
Genug geblödelt. Tatsache ist, dass wirklich jeder Text überarbeitungswürdig ist. Sogar Nobelpreisträger wie Heinrich Böll ließen ihre Texte von der sorgsamen Arbeit eines Lektors glätten; Unterhaltungsautoren wie Johannes Mario Simmel bekennen bei jeder Gelegenheit, dass ihr Lektor ihnen viel hilft. Bei PERRY RHODAN gibt es zwei bis drei Menschen, die sich jeden Roman vornehmen und auf Fehler überprüfen.
Dass dennoch manchmal Fehler übersehen werden, liegt an der Natur der Sache. Kein Mensch ist vollkommen. Manche Kritiker übersehen das gelegentlich ...
Aber darum soll es ja gar nicht gehen. Viel wichtiger ist eine kontinuierliche Textarbeit. Ich empfehle nicht, halbfertige Texte rumzuzeigen. Sinnvoller ist es, einfach abzuwarten, bis ein Text richtig fertig ist, sei es nun eine Kurzgeschichte, ein Artikel oder gar ein Roman. (Außer man will wissen, ob die Richtung stimmt, aber das ist wieder eine Ausnahme.)
Ich empfehle auch nicht unbedingt, den Text den besten Freunden, dem Lebenspartner oder den Eltern zu zeigen. Das ist nur dann zu empfehlen, wenn diese Menschen die entsprechende Distanz zu dem Text entwickeln können und nicht kritiklos damit umgehen. Es ist niemanden damit gedient, wenn er auf einen Text ein »Na ja, nicht schlecht« bekommt und sonst nichts ... Sinnvoll ist stets ein Mensch, der ein Text kritisch untersucht, der die Schwachpunkte offenlegt, der aber auch sagt, was ihm gefällt und was nicht.
Man muss übrigens nicht alle Kritikpunkte, die man in einem solchen Fall zu hören kriegt, in seinen Text einarbeiten. Letzten Endes wird eh jeder Kritiker etwas anderes vorschlagen. Aber es schadet nichts, sich aus mehreren Richtungen die entsprechende Kritik zu holen und dann das umzusetzen, was man für sinnvoll erachtet.
Überarbeiten!
Kein Text ist heilig. Wenn die Geschichte geschrieben ist, der Artikel verfasst oder der Roman abgeschlossen, ist die Sache noch lange nicht erledigt. Sinnvoll ist eigentlich, den Text einige Tage lang liegenzulassen und ihn dann erneut zu untersuchen, ihn gewissermaßen als »fremde Arbeit« zu betrachten und gründlich durchzuschauen. Man erhält dabei ganz andere Einblicke in seine eigene Arbeit. Wenn diese Zeit nicht vorhanden ist, muss eben gründlich und mehrfach gelesen werden ...
Ein guter Trick, sich seinen eigenen Text »fremder« zu machen, ist übrigens, ihn sich laut vorzulesen. Unglaubliche Tiefen können sich da auftun. Plötzlich bemerkt der Autor selbst, dass sein Text nicht stimmt; beim Vorlesen stolpert man leichter über stilistische Holpereien und unsaubere Formulierungen. Das gewissermaßen natürliche Sprachgefühl reagiert wie ein Sensor auf solche Dinge, die einfach nicht stimmen.
Und dann gibt es nur eines: noch mal auf den Hosenboden setzen und alles noch einmal durcharbeiten. Bitte gründlich! Braucht man wirklich jedes Adjektiv, müssen die Dialoge so verfasst sein, sind die Beschreibungen in der Geschichte zu lang? Gute Autoren denken sich in solchen Fällen gewissermaßen in ihre Leser hinein, versuchen ihren eigenen Text aus der Sicht eines anderen Menschen zu betrachten.
Hm. Fehler lassen sich trotzdem nicht ausschließen. Dafür ist letztlich der Lektor da. Aber trotzdem sollte ein Autor ein so gut wie möglich geschriebenes Werk abliefern, keine Erstversion, an der noch alles korrigiert und verändert werden muss ...
Dumme Wörter
Nochmal zurück zum Anfang. Jeder Autor weist bei seiner Schreibe charakteristische Schwächen auf, die er normalerweise nicht bemerkt. Es ist sehr hilfreich, sich eine Liste seiner eigenen Schwächen anzufertigen (natürlich geht das nur, wenn jemand auf diese Schwächen hingewiesen hat ...) und damit anschließend den Text noch einmal durchzugehen.
Wörter wie »führendst« sind trotzdem schrecklich und dürfen in einem Text nicht enthalten sein. Es handelt sich hier um stilistische Schlampereien, die man unbarmherzig aus dem Text streichen muss. Das Wort »führend« lässt sich ebenso wenig steigern wie die Wörter »voll« oder »leer«. »Voller als voll« kann kein Glas werden ... Hier heißt es aufpassen. Im normalen Sprachgebrauch werden solche Formulierungen gerne benutzt – hier stören sie auch nicht. Im Text dürfen sie einfach nicht stehen!
Jeder Mensch neigt dazu, gewisse Wörter überproportional zu benutzen. Ich leide beispielsweise an der »noch-schon-auch«-Krankheit, das heißt, dass ich diese Wörter ständig in Texten einarbeite. Ähnlich häufig benutze ich Doppelpunkte und Gedankenstriche, um meine Texte zu gliedern. Liest die PERRY RHODAN-Redakteurin Sabine Bretzinger meine Texte, bemängelt sie das stets; mir selbst fällt das kaum ins Auge. Habe ich allerdings die Zeit, meinen eigenen Text gründlich durchzuschauen, kann ich auffällige Wiederholungen rasch streichen und meinen Text dadurch besser und lesbarer machen.
Kurzum: Kein Text ist heilig. Jede Bearbeitung hilft. Und kein Autor ist fehlerfrei! (Übrigens auch kein Leser, aber das ist eine andere Geschichte ...)
Klaus N. Frick
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