Für Autoren
Erstveröffentlichung in SOL Nr. 18 - 2/00
Einige Tipps für angehende Autoren (5/12)
von Klaus N. Frick
Die Inhalte dieser Fortsetzungsreihe variieren ein bisschen. Irgendwann werde ich wohl eine Folge liefern, die nur aus dem Wort »Üben!« in beliebig häufiger Wiederholung besteht. Denn das ist das wichtigste, was man einem Autor oder einer Autorin sagen muss: »Üben!« Und nachdem bei der letzten Folge ein bisschen über Stil referiert wurde, soll es diesmal wieder um allgemeinere Dinge gehen.
Schon in der ersten Folge dieser Reihe habe ich darüber geschrieben, wie wichtig es ist, einen guten Einstieg in einen Text zu finden. Daran halte ich nach wie vor fest: Der Anfang eines Artikels, einer Geschichte oder eines Romans entscheidet darüber, ob der Leser am Thema bleibt.
Der Anfang
Nehmen wir beispielsweise eine schon klassische Geschichte von Ernst Vlcek – der PERRY RHO-DAN-Autor kassierte in seiner Jugend mehrere Preise für Kurzgeschichten. Die Story heißt »Gib mir Menschen« und beginnt mit folgender Formulierung: »Martin Korner, letzter Mann auf Erden.« Sofort ist der Leser gefesselt, sofort will er weiterlesen und mehr wissen über diesen Martin Korner und warum zum Teufel er der letzte Mann ist.
Nicht ganz so knapp und eher an eine Krimi-Geschichte erinnernd ist Ernst Vlceks Anfang bei »Das Mädchen Zeitlos«. Hier lautet die Formulierung: »Wenn man von einem Mann sagt, dass drei Frauen in seinem Leben eine Rolle gespielt haben, dann meint man für gewöhnlich seine Mutter, seine Ehefrau und seine Geliebte. Bei mir ist das etwas komplizierter.«
Sieht man davon ab, dass man das »dann« in diesem Satz problemlos streichen kann oder es sogar streichen sollte, weil es überflüssig ist, kann der Anfang der Geschichte nur als geglückt betrachtet werde. Sofort erwartet der Leser nämlich einen interessanten Handlungsablauf, was ihn unweigerlich in die Geschichte hineinzieht.
Ein wenig klischeehaft ging Ernst Vlcek bei der Geschichte »Der tiefgekühlte Alptraum« vor. Die Story hat einen geradezu genialen Titel und einen Anfang, der zwar spannend ist – aber eben klischeehaft: »Ich bin ein Verdammter, rettungslos verloren.«
Alle drei Beispiele zeigen sehr gut, wie ein guter Autor seine Geschichten anfangen sollte: mit ei-nem Satz, der neugierig macht und dem Leser den Eindruck vermittelt, er müsse unbedingt weiterlesen, weil er sonst etwas Wichtiges verpassen könnte.
Der Anfang muss nicht notgedrungener Weise mit einem kurzen Satz eingeleitet werden. Es kann auch eine Beschreibung sein. Wer eine stimmungsvolle Geschichte schreiben will, tut wohl gut daran, auf eine Action-Szene am Anfang zu verzichten – man würde beim Leser einen falschen Eindruck erwecken. Wer eine lakonische Krimi-Geschichte schreiben möchte, sollte im Normalfall nicht von den schönen Blumen am Bachrand schreiben. Außer er erwähnt im zweiten Satz, wie die Leiche mitten zwischen den schönen Blumen liegt ...
Direkt einsteigen!
Häufig vertändeln Autoren ihre Zeit. Sie verbringen zu viel Zeit – oder eben zu viele Worte – damit, die Szenerie zu beschreiben oder die Hintergründe zu schildern.
Ich muss beim Anfang einer Geschichte oder eines Romans nicht wissen, wie der Held der Geschichte aussieht. Weitaus wichtiger ist die Szene an sich, die den Leser ansprechen soll. Erst in den folgenden Szenen können Hintergründe eingearbeitet werden. Vor allem können solche Enthüllungen, wenn sie dosiert eingesetzt werden, einer Geschichte oder einem Roman zusätzliche Spannung verleihen.
Bei Seminaren gebe ich immer wieder den Tipp, konzentriert Kurzgeschichtensammlungen durchzuschauen, um zu erkennen, wie bekannte Autoren ihre Anfänge setzen. Welche Stilmittel benutzen sie? Wie setzen sie die Aussagen? Wie pointiert schreiben sie? Jeder Autor hat seine Vorzüge, und es hat noch nie geschadet, sich bei diesen Vorzügen schonungslos zu bedienen.
Ein gutes Hilfsmittel ist dabei übrigens eh die Kriminalgeschichte, die meist stärker auf Pointen setzt. Die Erkenntnisse einer solchen Untersuchung, die jeder für sich selbst machen kann und soll, sind leicht auf die Science Fiction zu übertragen. Übrigens auch auf jede andere Literaturrichtung.
Wobei es noch einen wesentlichen Unterschied verschiedener Richtungen gibt: Bei der Kurzgeschichte muss der Einstieg in den Text wesentlich prägnanter und kürzer sein als der Roman. Hier muss noch sorgfältiger gearbeitet werden.
Stilübungen
Im Übrigen ist es ein ganz interessanter Ansatz, bei anderen Autoren zu schauen, wie sie was gemacht haben. Am besten übrigens von Autoren, die einem vielleicht nicht so liegen. Und natürlich von Autoren, die richtig gut sind.
Dialoge beispielsweise würde ich anhand von Hemingway-Texten üben. Wie der amerikanische Nobelpreisträger in seinen Kurzgeschichten die Menschen sprechen lässt, ist nach wie vor sagenhaft. Mit wenigen Sätzen werden Menschen plastisch, werden ihre Handlungen nachvollziehbar, wird von Satz zu Satz klarer, warum sich wer wie verhält.
Bei der Science Fiction die Auswahl an Autoren ebenfalls groß. Im deutschen Sprachraum kann beispielsweise Hans Kneifel mit seinen Beschreibungen genannt werden. Man muss das nicht unbedingt mögen – die Art und Weise aber, wie der PERRY RHODAN- und ATLAN-Autor höfische Szenen in Ägypten oder auf Arkon lebendig gemacht, ist faszinierend. Diese Technik nachzumachen dürfte allerdings nicht gerade sehr einfach sein. Gerade angehende Autoren, die Hans-Kneifel-Beschreibungen nicht mögen, sollen aber eben dies einmal versuchen. Und werden feststellen, wie verdammt schwer es ist, so etwas einfach »nachzumachen«.
Es geht hier nicht darum, zum Plagiat aufzurufen. Es geht darum, zur Übung aufzurufen. Mal einige Tage lang Kneifel-Stil üben – das kann nicht schaden.
Oder Dialoge schreiben. Mal einen Dialog zwischen Ermittler und Täter erfinden. Oder ein Gespräch zwischen zwei Außerirdischen, die eine grundsätzlich andere Denkweise haben. Oder eben eine Diskussion zwischen einem Roboter und einem Menschen. Möglichkeiten gibt es unendlich viel.
In den Literatur-Seminaren in Wolfenbüttel üben die Dozenten mit den Teilnehmern gerne einzelne Dinge wie Dialoge, Anfänge oder »Begegnungen«. Solche Übungen können als Fingerübung auch zu Hause vorgenommen werden. Dabei lassen sich immer wieder schöne Erkenntnisse nachweisen. Das empfehle ich allen angehenden Autoren.
Üben! Üben! Üben!
»Übung macht den Meister« ist einer der ältesten Sprüche überhaupt. Viel zu wenige beziehen diesen Satz auf die Schriftstellerei. Die meisten Autoren gehen davon aus, dass ihnen das Talent nur so zufliegen würde. Leider ist diese Denkweise völliger Unfug.
Das Schreiben von Kurzgeschichten und Romanen ist knallharte Arbeit. Natürlich sollte man ein gewisses Talent mitbringen, um richtig gut schreiben zu können. Viel wichtiger aber erscheint mir immer wieder eine ausreichende handwerkliche Basis.
Bei jedem Schreiner, Maurer oder Bankkaufmann gehe ich davon aus, dass der Mann oder die Frau eine mehrjährige Ausbildung hinter sich gebracht hat, bevor man ihn auf die Menschheit losließ. Autoren scheinen jedoch zu glauben, diese Ausbildung nicht leisten zu müssen. Entsprechend sind die Ergebnisse, die einem manchmal vor die Augen geknallt werden.
Warum wohl hat eine Reihe von PERRY RHODAN-Autoren jahrelang in Fan-Zeitschriften publiziert? Warum sind die besten amerikanischen Science-Fiction-Autoren jahrelang als Studenten bei den Clarion Workshops gewesen, um sich dort grundlegende Arbeitstechniken vermitteln lassen?
Es hat noch keinem geschadet, möglichst viel zu lernen – vor allem nicht dem Autor oder Redakteur. Und mit diesen salbungsvollen Worten soll dieser Beitrag auch enden ...
Klaus N. Frick
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